Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Kündigung
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- von Martina C. Große-Wilde, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Fachanwältin für Familienrecht
Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle auch dann, wenn der Arbeitgeber schon in den ersten Tagen eines Arbeitsverhältnisses dieses aus Anlass der Erkrankung gekündigt hat? Mit Urteil vom 26.05.1999 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen Anspruch grundsätzlich bejaht.
Die Arbeitnehmerin war von dem Arbeitgeber auf Probe eingestellt worden. Kurze Zeit später wurde die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig krank. Am folgenden Tage kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen der Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitnehmerin war weiterhin arbeitsunfähig krank.
Ein wegen Krankheit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer hat grundsätzlich gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Wochen. Der Anspruch entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Wird es vorher wieder beendet, dann ist die Entstehung eines Entgeltfortzahlungsanspruches für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis bestanden hat, ausgeschlossen. Für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht gegeben.
Erkrankt ein Arbeitnehmer während der Wartezeit und dauert die Arbeitsunfähigkeit über die Wartezeit hinaus an, dann entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu sechs Wochen. In die Wartezeit fallende Krankheitstage sind nicht anzurechnen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen noch innerhalb der Wartefrist beendet. Es soll verhindert werden, dass sich der Arbeitgeber zu Lasten der Sozialversicherung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungspflicht entzieht. Die Wartezeit soll deshalb vier Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses als erfüllt gelten trotz wirksamer Kündigung. Der Arbeitgeber soll so behandelt werden, dass dem erkrankten Arbeitnehmer von diesem Zeitpunkt an dieselben Entgeltfortzahlungsansprüche zustehen sollen, wie wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre. In die Wartezeit entfallende Krankheitstage werden nicht angerechnet.
Für die Praxis hat das zur Bedeutung, dass trotz Probezeit mit eintägiger Kündigungsfrist und trotz Nichtablauf der vierwöchigen Wartefrist nach dem EFZG der Arbeitgeber im Krankheitsfalle bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten muss.
Unser Rat:
- Während der vierwöchigen Wartefrist sollte eine Kündigung nicht aus Anlass der Erkrankung ausgesprochen werden. Statt dessen sollten andere – plausible – Gründe angeführt werden.
- BAG v. 26.5.1999 - 5 AZR 476/98 NZA 1999, 1273 -
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