Derartige Rechtsstreitigkeiten sind immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen, wenngleich die im Bürgerlichen Gesetzbuch hierzu enthaltenen Regelungen eher dürftig sind. In § 910 BGB heißt es hierzu nur, dass der Eigentümer eines Grundstückes Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten darf. Das gleiche gilt von überragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat und diese Frist nicht eingehalten wird. Eine Ausnahme gibt es dann, wenn die Benutzung des Grundstückes nicht beeinträchtigt wird.
In der Praxis sieht es dann so aus, dass der Grundstückseigentümer seinen Nachbarn auffordert, die Zweige zu beseitigen. Anschließend geschieht nichts. Bei kleineren Zweigen ist dies meist unproblematisch, notfalls kann man selbst zur Schere greifen. Anders sieht dies aus, wenn größere Bäume auf dem Nachbargrundstück stehen, deren Äste weit ausgreifend über das Grundstück hinweg ragen. Hier müssen Profis aktiv werden, die auch in größeren Höhen arbeiten können. Wenn das Gesetz hierzu festlegt, dass der Eigentümer die Zweige abschneiden und behalten darf, so entspricht dies auch nicht mehr ganz den Interessen. Regelmäßig müssen die Grünabfälle entsorgt werden.
Eine derartige Fallgestaltung lag einer Entscheidung des OLG Koblenz im Oktober 2013 vor. Hier reichten 7 m lange Äste und Zweige auf das Grundstück des Nachbarn, die sich teilweise in einer Höhe von mehr als 25 m befanden. Der Eigentümer des Grundstückes hat – nach vorhergehender Aufforderung – einen Baumdienst beauftragt, die Äste zu beseitigen. Hierzu musste der Baumdienst einen Hubwagen einsetzen, um an die Äste heranzukommen. Anschließend verlangte der Eigentümer von seinem Nachbarn die Erstattung der Kosten für diese Arbeiten in einer Größenordnung von rund 7.000 €.
Das OLG Koblenz hat dem Grundstückseigentümer im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2004 einen Erstattungsanspruch gegen seinen Nachbarn zugebilligt, weil die Arbeiten eigentlich durch den Nachbarn auf dessen eigene Kosten hätten ausgeführt werden müssen. Damit hatte der Nachbar einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, den er jetzt dem Grundstückseigentümer auszugleichen hatte.
Streitig ist in derartigen Fällen immer, ob von dem nachbarlichen Überwuchs eine Beeinträchtigung des Grundstückes hervorgerufen wird. Im konkreten Falle wurde nicht nur ein Überwuchs festgestellt. Zwischen den übergewachsenen Ästen befanden sich auch tote Astteile mit einer Länge von mehreren Metern und einer Stärke von 5-15 cm, die bei ungünstigen Witterungsverhältnissen hätten abbrechen und insoweit erhebliche Schäden verursachen können. Als Beeinträchtigung wird auch anzusehen sein, wenn etwa auf dem Grundstück des Eigentümers nichts mehr wächst, etwa weil das Grundstück zu stark beschattet wird. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn nur geringer Laub-, Nadel- oder Blütenfall festzustellen ist.
Unerheblich war im konkreten Fall, dass es sich bei den streitgegenständlichen Grundstücken um ein Waldrandgebiet handeln würde, so dass der Bewuchs mit Bäumen in diesem Bereich als ortsüblich anzusehen war. Nach Auffassung des Oberlandesgerichtes kam es nach der Fassung des Gesetzestextes auf diese Frage nicht an.