Der Ansatz ist gut. In Teilbereichen, wie den verschärften Auskunfts- und Belegepflichten, führt der Gerechtigkeitswahn des Gesetzgebers aber zu einem Supergau. Das Verfahren ist kaum durchführbar und wird sich jetzt viele Jahre hinziehen. Es ist schon schwierig genug, Belege für alles zu besorgen. Wie soll das aber gehen, wenn Eheleute 40 Jahre verheiratet sind oder wenn der Zugewinnausgleich erst nach Scheidung durchgeführt wird. Die Banken vernichten die Aufzeichnungen nach 10 Jahren und sind dann auch keine Hilfe mehr.
Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, gleich bei Heirat den Vermögensstatus schriftlich zu fixieren und fortlaufend den aktuellen Verhältnissen anzupassen. Wir empfehlen deshalb, vor Heirat nicht nur entsprechende Unterlagen zusammenzustellen, sondern sich auch rechtlich, am Besten bei einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Familienrecht, beraten zu lassen.
1. Zugewinngemeinschaft
Gibt es keine besondere Vereinbarung, dann leben Eheleute automatisch im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Zugewinngemeinschaft beginnt mit dem Tag der Heirat. Sie endet in der Regel mit dem Ende der Ehe, insbesondere durch Scheidung oder durch Versterben eines Ehegatten. Die Zugewinngemeinschaft kann auch durch den Abschluss eines Ehevertrages enden. Sie kann auch enden durch einen vorgezogenen Zugewinnausgleich.
Zugewinngemeinschaft bedeutet: Jeder Ehegatte behält während der Ehe sein Vermögen in seinem Eigentum. Er verwaltet es selbst und zieht auch selbst die Nutzungen daraus. Gemeinsames Vermögen besteht nur, wenn die Eheleute etwas ausdrücklich gemeinsam erworben haben. Der einzelne Ehegatte unterliegt zum Schutze des anderen Ehegatten aber Beschränkungen. Er kann über sein Vermögen nicht nach Belieben verfügen. Der einzelne Ehegatte kann über sein Vermögen im Ganzen oder über sein wesentliches Vermögen nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verfügen. Sonst ist das Geschäft unwirksam.
Beispiel: Ein Ehegatte verkauft das in seinem Eigentum stehende, von der Familie bewohnte Einfamilienhaus oder er verkauft seinen Betrieb.
Auf der anderen Seite gibt es auch keine automatische Haftung des einen Ehegatten für Schulden des anderen Ehegatten. In den Zugewinnausgleich fallen alle Vermögenswerte wie Immobilien, Betriebe, Sparkonten, Lebensversicherungen. Unberücksichtigt bleibt grundsätzlich solches Vermögen, das durch Erbe erworben wurde oder Schenkungen an nur einen Ehegatten. Hier wird nur die Wertsteigerung beim Zugewinn berücksichtigt.
Endet die Zugewinngemeinschaft, dann erhält der Ehegatte mit dem geringeren Vermögenszuwachs während der Ehe einen Ausgleich von dem anderen Ehegatten mit dem höheren Vermögenszuwachs, der sogenannte Zugewinn, in Höhe der Hälfte des Unterschiedes. Der Ausgleich ist regelmäßig auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet. Die Ehezeit ist der Zeitraum vom Tage der Heirat bis zum Tage der Zustellung des Scheidungsantrages an den anderen Ehegatten.
2. Auskunfts- und Belegepflichten
Soll ein Zugewinnausgleichsverfahren durchgeführt werden, dann fordern sich die Eheleute zunächst einmal gegenseitig zur Auskunft über die jeweiligen Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten auf.
Nach neuem Recht kann die Auskunft verlangt werden über
- das Anfangsvermögen bei Heirat
- das während der Ehe hinzugekommene Vermögen durch Erbschaft oder Schenkung
- das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung
- das Endvermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages
- unentgeltliche Zuwendungen an Dritte nach Heirat
- verschwendetes Vermögen nach Heirat
- Vermögensbewegungen, um den anderen Ehegatten zu schädigen, nach Heirat
Nach neuem Recht kann auch die Vorlage von Belegen verlangt werden. Das sind Hausunterlagen, Kaufverträge, Kreditverträge, Kontoauszüge, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einnahme- Überschussrechnungen, Bilanzen, Gesellschafterverträge. Das ist vor allem ein Problem bei länger zurückliegenden Zeitpunkten wie Heirat, Schenkung und Erbschaften, selbst bei Trennung, wenn diese Zeitpunkte schon lange zurückliegen.
Entsprechende Auskunftsverlangen werden sich zwangsläufig endlos hinziehen.
3. Negatives Endvermögen und negatives Anfangsvermögen
Nach neuem Recht wird auch negatives Endvermögen und negatives Anfangsvermögen berücksichtigt. Dazu folgendes Beispiel:
Der Ehemann hat bei Heirat 200.000,00 € Schulden. Bei Scheidung hat er diese Schulden abbezahlt und außerdem hat er noch weiteres Vermögen von 50.000,00 €. Die Ehefrau hat bei Heirat 0,00 € Vermögen. Bei Scheidung hat sie ebenfalls ein Vermögen von 50.000,00 €. Nach neuem Recht ist die Lösung wie folgt. Der Ehemann hat durch die Abbezahlung der Schulden seine Vermögenssituation um 200.000,00 € verbessert und zusätzlich noch weiteres Vermögen von 50.000,00 € erworben. Er hat damit einen Zugewinn von 250.000,00 €. Der Ehemann muss die Hälfte seines Mehrbetrages an die Ehefrau zahlen. Er muss zahlen 250.000,00 € – 50.000,00 € = 200.000,00 €, geteilt durch 2, also 100.000,00 €.
Ein weiteres Beispiel dazu:
Der Ehemann hat bei Heirat 200.000,00 € Schulden. Bei Ende der Ehe hat er 100.000,00 € abbezahlt. Die Ehefrau hat bei Heirat 0,00 € Vermögen und bei Ende der Ehe hat die Ehefrau ein Vermögen von 50.000,00 €. Der Ehemann muss zahlen 100.000,00 € – 50.000,00 € = 50.000,00 €, geteilt durch 2, also 25.000,00 €.
4. Vermögensminderungen nach dem Stichtag
Nach neuem Recht kommt es nicht mehr darauf an, ob der Ausgleichsverpflichtete das bei Zustellung des Scheidungsantrages vorhandene Vermögen immer noch hat. Für die Ausgleichspflicht kommt es allein auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages an. Hat der Ausgleichspflichtige anschließend sein Geld ausgegeben, muss er einen Kredit aufnehmen, um eine Ausgleichsverpflichtung zu finanzieren.
Darüber hinaus hat der Ausgleichsberechtigte aber noch weitere Sicherungsmöglichkeiten und Anspruchsmöglichkeiten, siehe Ziffer 6 und 7.
5. Vorgezogener Zugewinnausgleich
Nach neuem Recht sind die Möglichkeiten eines vorgezogenen Zugewinnausgleiches bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft erweitert. Er ist nunmehr möglich in folgenden Fällen:
- Die Ehegatten sind seit mindestens drei Jahren getrenntlebend.
- Es ist zu befürchten, dass der Ausgleichsverpflichtete über sein Vermögen im Ganzen verfügt.
- Der Ausgleichsberechtigte ist längere Zeit seinen wirtschaftlichen Verpflichtungen aus der Ehe nicht nachgekommen und es ist zu befürchten, dass er das zukünftig auch nicht macht.
- Ein Ehegatte verweigert beharrlich die Auskunft über sein Vermögen.
6. Sicherung des Zugewinnausgleiches
Nach neuer Rechtslage kann eine Sicherung des Ausgleichsanspruches durch Arrest erfolgen. Die Möglichkeit besteht ab Einleitung des Scheidungsverfahrens oder der Klage auf vorzeitigen Zugewinnausgleich.
7. Haftung Dritter
Nach neuer Rechtslage ist die Haftung Dritter beim Zugewinnausgleich verschärft. Eine dritte Person, die unentgeltlich Zuwendungen vom Ausgleichsverpflichteten erhalten hat, haftet jetzt zusammen mit dem Ausgleichsverpflichteten als Gesamtschuldner. Sie kann auf die volle Summe in Anspruch genommen werden.
Voraussetzung ist, dass der Ausgleichsverpflichtete die Zuwendung an die dritte Person gemacht hat, um den anderen Ehegatten zu benachteiligen. Der Ausgleichsberechtigte muss zwar diese Benachteiligungsabsicht in einem Gerichtsverfahren darlegen. Dafür reicht aber ein einfacher Vortrag, z. B., dass der Ausgleichsverpflichtete eine nicht erforderliche Kontoüberziehung vorgenommen hat.
Weitere Voraussetzung für die Haftung des Dritten ist, dass der auf ihn übertragene Teil des Vermögens höher ist als die Hälfte des bei dem Ausgleichsverpflichteten noch verbliebenen Vermögens.
8. Hausrat
Nach neuer Rechtslage gehört in die Ehe eingebrachter Hausrat, der im Alleineigentum eines Ehegatten steht, zum Anfangsvermögen und nicht mehr in die Hausratsverteilung.
9. Stichtag 1. September 2009
Das neue Güterrecht und die neuen Regelungen zum Zugewinnausgleich gelten ab dem 01. September 2009. Das neue Recht gilt auch schon für laufende Verfahren, die vor dem 01.09.2009 bei Gericht eingeleitet wurden. Eine Ausnahme besteht für die Regelung über die Einbeziehung des negativen Anfangsvermögens. Diese Regelung wird erst für ab dem 01.09.2009 bei Gericht eingeleitete Verfahren angewendet.
10. Zusammenfassung
Die neuen Regelungen haben das Ziel, vor Ungerechtigkeiten und Manipulationen zu schützen. Diese hätte der Gesetzgeber auch auf einfachere Art und Weise erreichen können als wie geschehen. In seinem Gerechtigkeitswahn hat der Gesetzgeber derart hohe Hürden aufgebaut, dass sich zukünftige Verfahren jahrelang hinziehen werden. Auch wirft die neue Regelung eine Vielzahl von Fragen auf, die erst einmal wieder geklärt werden müssen durch die künftige Rechtsprechung. Wir empfehlen deshalb, sich am Besten bei einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Familienrecht beraten zu lassen.